Nach mehreren Jahren der Entwicklung digitaler Erlebnisse in einer Vielzahl von Branchen und Unternehmen hatten alle Projekte, in denen ich gearbeitet habe, eines gemeinsam:
Bei der Gestaltung von sogenannten B2C-Erlebnissen (Business-to-Customer) gelten im Wesentlichen immer dieselben Ziele. Zum Beispiel ist ein typisches Unternehmensziel: Bringe Nutzer:innen dazu, ein bestimmtes Produkt zu kaufen oder eine bestimmte Dienstleistung zu nutzen. Ziele für Nutzer:innen sind meist: Überzeuge mich und mache es mir leicht, ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Dienstleistung zu kaufen und zu nutzen.
Es gibt jedoch einen kleinen, aber feinen Unterschied bei der Gestaltung von B2E-Erlebnissen (Business-to-Employee):
Nutzer = Mitarbeiter
Die 'Verkäufer-Käufer-Relation' und damit bewährte Gestaltungskonventionen gelten nicht mehr. Dies hat Auswirkungen auf den Designprozess.
B2E ist ein Begriff, der alle Unternehmensaktivitäten beschreibt, die sich an die eigenen Mitarbeiter:innen richten. Der Begriff trägt der Tatsache Rechnung, dass diese ein wesentlicher Bestandteil des Unternehmens sind. B2E-Aktivitäten umfassen alle Bemühungen eines Unternehmens, Mitarbeiter:innen direkt in ihrer Arbeit zu befähigen, das Unternehmen bestmöglich zu führen.
Ein wesentlicher Teil meiner Arbeit als UX-Designer besteht darin, Bedürfnisse von Anwender:innen zu verstehen und auf Basis dessen Design-Entscheidungen zu treffen. Das Einfühlungsvermögen, um diese Bedürfnisse zu verstehen, variiert stark zwischen B2C-, B2B- und B2E-Erlebnissen.
Wir alle sind in gewisser Weise sogenannte Endkund:innen und interagieren täglich mit Dutzenden digitaler Angebote und Anwendungen. Deshalb ist es relativ einfach, sich für die Gestaltung eines beliebigen B2C-Erlebnisses in die Lage von Endkund:innen zu versetzen. Dabei gilt dennoch: Bei der Entwicklung jeglicher digitaler Produkte ist es immer von Vorteil, sich mit den künftigen Nutzer:innen auseinanderzusetzen und ihre individuellen Bedürfnisse zu verstehen. Trotzdem können wir als Designer:innen bis zu einem gewissen Grad von unseren eigenen Erfahrungen profitieren.
Bei der Gestaltung von Geschäftskunden-Erlebnissen (B2B) ist die Fähigkeit, sich in die Lage der Nutzer:innen hineinzuversetzen, wesentlich schwieriger. Geschäftskund:innen arbeiten meist in einem sehr spezifischen Umfeld mit individuellen Bedürfnissen und Motiven. Doch im Vergleich zu einem ,Endkunden-Erlebnis' ändern sich die Rollen von Verkäufer:in und Käufer:in nicht. Auch wenn B2B-Erlebnisse komplexer sind und mehr Aufwand erfordern, um die Bedürfnisse der Nutzer:innen zu verstehen, können bewährte Designregeln und -konventionen, wie z. B. das Conversion Funnel-Modell, gleichermaßen angewendet werden und als Orientierungshilfe im Designprozess dienen.
Bei Mitarbeiter-Erlebnissen (B2E) gilt die ,Käufer-Verkäufer-Beziehung' nicht mehr. Sie ist daher als Orientierungshilfe im Design- und Empathie-Prozess ungeeignet. Die Motivation für Mitarbeiter:innen, eine interne Anwendung zu nutzen, kann unterschiedlich sein. Sie basiert jedoch – und das ist entscheidend – nicht auf kommerziellen Absichten. Darüber hinaus sind die internen Prozesse, in denen Mitarbeiter:innen arbeiten, sehr individuell und folgen meist keinem Schema, für das es bewährte Lösungen gibt, die Designer:innen im Designprozess anwenden könnten. Dies macht es für Designer:innen auch sehr schwierig, sich in die Benutzer:innen hineinzuversetzen und ihre Bedürfnisse und Pain-Points zu verstehen.
Wenn die Motivation für den Einsatz eines internen Tools nicht auf kommerziellen Absichten beruht, was kann dann noch als Orientierung für die Gestaltung von B2E-Erlebnissen dienen?
Hier sind einige einfache, aber wertvolle Aspekte, die berücksichtigt werden sollten:
1. Wir sind nicht die Nutzer:innen
Bei jeder Gestaltungsentscheidung, die wir treffen, müssen wir uns fragen, wie sie mit einem bestimmten Nutzerbedürfnis zusammenhängt. Um diese Wissens- und Empathie-Lücke zu schließen, spielt die Zusammenarbeit mit Anwender:innen und Expert:innen eine absolut entscheidende Rolle im Designprozess. Erst dadurch entstehen sinnvolle und wertvolle Nutzererlebnisse. Wenn möglich, sollten daher interne Mitarbeitende, die mit dem Tool arbeiten werden, als Stakeholder in den Designprozess einbezogen werden.
2. Aufgabengesteuertes UI
Reguläre Marketingkonzepte wie der Conversion Funnel und die Customer Journey gelten im B2E-Bereich nur bedingt. Um dennoch eine klare Benutzerführung zu ermöglichen, sollten wertvolle B2E-Erlebnisse den Nutzer:innen helfen, Dinge effizient zu erledigen. „Jobs-to-be-done“ kann eine wichtige Methode sein, um die zugrunde liegenden Motive und Bedürfnisse der Nutzer:innen aufzudecken. Dies kann helfen, Aufgaben zu identifizieren und zu priorisieren, die durch die Anwendung gelöst werden sollen.
3. Informationsdichte
Im Gegensatz zu Besucher:innen einer Marketing- oder E-Commerce-Website arbeiten Mitarbeiter:innen in der Regel täglich mit internen Anwendungen. Daher müssen Informationen und Funktionen in unmittelbarer Nähe und mit möglichst wenigen Klicks verfügbar sein. Grundlegende UI-Elemente wie Buttons und Typographie, aber auch Abstände und Raster sollten für interne Anwendungen optimiert werden.
4. Personalisierung
Um Nutzer:innen ein effizientes Arbeiten zu ermöglichen, sollten B2E-Anwendungen die Möglichkeit bieten, die Oberflächen so anzupassen, dass sie den individuellen Bedürfnissen und Arbeitsweisen entsprechen. Auf diese Weise können die Benutzer:innen das Tool tief in ihre spezifischen täglichen Routinen integrieren und anpassen.
5. Geduldig sein
In Unternehmen hineinzuschauen und die Komplexität zu verstehen, in der die Mitarbeiter:innen tätig sind, ist ein nie endender Empathie-Prozess. Einschränkungen der Recherchetätigkeiten aufgrund von Homeoffice-Regelungen machen es nicht einfacher. Wenn nicht genügend Erkenntnisse vorliegen oder diese nicht robust genug zu sein scheinen, beginnen Sie mit einer Reihe von Annahmen. Im Laufe des Prozesses können diese durch regelmäßige Feedbackschleifen oder Kollaborationssitzungen mit Nutzer:innen validiert werden.
In B2E-Erlebnissen wird die reguläre ,Käufer-Verkäufer-Beziehung' durch eine 'Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Beziehung' ersetzt. Das hat Auswirkungen auf den Designprozess, wie oben beschrieben. Die Definition der Benutzer:innen als Mitarbeiter:innen legt einen starken Fokus auf das Verständnis von Arbeitsumgebungen und den geschäftlichen Kontext, in dem die Mitarbeitenden arbeiten. Wir Designer:innen sollten darauf achten, diese Kontexte aufzudecken, da sie die Arbeitsweise der Mitarbeiter:innen beeinflussen.
Auch wenn einige Designkonzepte und -modelle nicht für jede Benutzergruppe anwendbar sind, haben wir als Designer:innen dennoch eine große Auswahl an Werkzeugen und Methoden, die wir nutzen können, um sicherzustellen, dass die individuellen Bedürfnisse der Benutzer:innen auf bestmögliche Weise erfüllt werden. Egal, ob Angestellte, Konsument:innen oder Geschäftskund:innen – am Ende des Tages sind es Menschen mit individuellen Erwartungen und Anforderungen, die es durch Anwenden passender Methoden aufzudecken und in wertvolle Nutzererlebnisse umzusetzen gilt.